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Life Is Strange: Episode 5 (Polarized) – Test zum Staffelfinale

Die erste Staffel von ‘Life Is Strange’ geht vorbei. Zeit, zurückzublicken. Wie man das „Telltale-Genre“ um die eine oder andere wertvolle Eigenheit bereichern konnte, wo Telltale noch die Nase vorn hat. Aber auch: Ob denn jetzt das Finale das bisher sehr runde Staffel-Debüt würdig zu Ende bringt.

 

Butterfly Effect

Die Fotografiestudentin Max kann nach dem Ablichten eines Schmetterlings ganz unverhofft die Zeit zurückdrehen. Eine Gabe, die sie nur einen Moment später dazu nutzt, um ihrer alten-neuen besten Freundin Chloe das Leben zu retten. Und später auch, um so manch anderes Unheil umzukehren. Doch selten ist es – wie in Literatur und Film so gerne oft schon behandelt – mit dem Manipulieren der Zeit so leicht. Nicht immer ergibt eine Veränderung in der Vergangenheit zugunsten einer Person eine Verbesserung zugunsten aller anderen. In ihrem unentwegten Drang, die bestmögliche Zukunft mit ihrer Fertigkeit herauszuschlagen, ergeben sich Folgen, die sie so nicht vorhergesehen hat. Und so manch schmerzhafter innerer Konflikt, der sie immer wieder an die Frage bringt, bei wessen Wohl Abstriche zu machen sind. Auf spannende und wendungsreiche Weise treibt ‘Polarized’ diese emotionalen Fragen an die Spitze. So weit, dass wir am Ende, wie Protagonistin Max, nicht wissen, was richtig und falsch ist – und uns trotzdem entscheiden müssen.

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Zum Anfang der Episode müssen wir uns zunächst aus einer misslichen Lage befreien.

 

Dialogprobleme

Telltale-typisch schlagen wir uns nach wie vor durch einen größtenteils, fest inszenierten Handlungsverlauf, auf den wir nur hin und wieder mit verschiedenen Antwortmöglichkeiten oder kleineren spielerischen Einlagen Einfluss nehmen können. Im Gegensatz zum Telltale-Vorbild ist der Spielablauf dabei verhältnismäßig, ja, entspannt: Hektische Quick-Time-Events finden wir nicht, und in Dialogen können wir uns so viel Zeit nehmen, wie wir brauchen, um auf unser Gegenüber zu reagieren. Dieses Zeitlassen in Dialogen mag im Zuge der Möglichkeit, stetig die Zeit zurückzuspulen, auch etwas schwierig zu sein, anders zu lösen. Denn wenn wir alles wieder rückgängig machen können, ist der Zeitdruck auch kein Druck mehr. Insgesamt fehlt den Dialogen durch diesen fehlenden Zeitdruck im Vergleich zu Telltale-Ablegern etwas die Intensität und Immersion, wir fühlen uns mehr wie Beobachter und Berater, als aktiv Max zu sein. Und eigentlich brauchen wir nur selten wirklich die viele Zeit, um unsere Antwortmöglichkeiten derartig sorgfältig abzuwägen. ‘Life Is Strange’ lässt uns zwar stets schwere Entscheidungen treffen, allerdings meist in noch mal gesondert hervorgehobener Form. Den konventionellen Dialogen fehlt oft ein spannender Schlagabtausch, gerade im Staffelfinale. In einer Szene mit unserem mit dem Cliffhanger der vierten Staffel enthüllten Entführer dürfen wir uns beispielsweise aussuchen, auf welche Art wir diesen am liebsten diskreditieren wollen. Eine Möglichkeit, hinter die Fassade unseres Bedrohers im Zuge eines spannenden Wortwechsels vorzustoßen, wird uns hingegen leider nicht gewährt. Oft auch bestehen Dialoge nur aus der Frage, welche Information wir beim Erzählen eines Vorfalls priorisiert schildern wollen. Aber warum können wir nicht einfach beides erzählen, wenn wir beides für wichtig halten? Und wofür müssen wir da als Spieler überhaupt eingeschaltet werden, während andere, spannende Wortwechsel komplett gescriptet sind? Denkt man hier beispielsweise an die Verhandlung des Staffelfinales von ‘The Wolf Among Us’, wo der Dialog als dynamisches, argumentatives Tauziehen genutzt wurde, hat man hier viel Potenzial verschenkt.

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Im Staffelfinale wird die “Was-wäre-wenn”-Frage mit Max’ Träumen und Ängsten ausgelotet.

 

Im Schatten seiner Selbst

Eine große Stärke von ‘Life Is Strange’ im Vergleich zur Telltale-Konkurrenz war stets die detailverliebte Spielwelt, die uns viel zu entdecken gab. Durch viele kleine Fundstücke, oder beispielsweise das Erkunden der Räumlichkeiten anderer Spielfiguren, ließen sich leicht Rückschlüsse auf diese ziehen – und so noch mal eine Perspektive gewinnen, die wir durch die Haupthandlung vielleicht nicht erhielten, hätten. In Telltale-Spielen fühlt man sich hier hingegen stets streng an die Leine genommen. Das höchste der Gefühle ist hier vielleicht das implementierte Auge von Rhys aus ‘Tales From The Borderlands’, mit dem wir die Spielwelt auf der Suche nach einigen Metadaten abscannen können.   Auch spielerisch hat ‘Life Is Strange’ mehr zu bieten: Die Zeitspul-Fertigkeit wird clever für Rätsel genutzt und lädt zum Herumprobieren ein. Nur Schleicheinlagen, wie wir sie auch in ‘Polarized’ an einer Stelle wiederfinden, wirken etwas aufgesetzt, erfüllen allerdings ihren Zweck, das sehr handlungsbestimmte Spielgeschehen aufzulockern. Leider hat ‘Polarized’ insgesamt spielerisch im Vergleich zu seinen Vorläufern etwas nachgelassen. Hin und wieder dürfen wir zwar noch mal einen genaueren Blick auf unsere Spielwelt werfen, und das eine oder andere Rückspul-Rätsel hat es auch in diese Episode geschafft. Allerdings wird hier im Vergleich zu vorigen Episoden auf viel schwächerer Flamme gekocht. Das mag daran liegen, dass sich ‘Polarized’ in erster Linie darauf konzentriert, die brisante Handlung sinnvoll zu Ende zu führen. Außerdem ist – allein durch die Ausgangslage der Episode – einfach durchgehend etwas am Brennen. Ruhige Momente, wie beispielsweise beim Schlendern über Max’ Campus, kann es daher gar nicht geben.

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‘Polarized’ wartet mit einigen spannenden Wendungen und einer schwerwiegenden Entscheidung am Ende auf.

 

Fazit:

Ganz klar: ‘Polarized’ will in erster Linie eine (gute!) Geschichte zu Ende erzählen. Dafür mussten dieses Mal Opfer auf spielerischer Ebene gemacht werden. Und ja: Man hätte dann auf Dialogebene mehr machen können – stattdessen kommt die Episode daher wie ein einziger, inszenierter Multiple-Choice-Fragebogen. Wäre ‘Polarized’ die erste ‘Life Is Strange’-Episode gewesen, hätte ich wohl nicht die Begeisterung an der Serie gefunden, wegen der ich jetzt trotzdem motiviert war, alles bis zum Abspann zu sehen. Und es lohnt sich bis dahin: Rein erzählerisch ist ‘Polarized’ top, gespickt voller Wendungen, viel neuer Tiefgang in Bezug auf Max und voller Fragen mit viel Tragweite. Nur als Spiel ging schon mal mehr.

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