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Life Is Strange: Episode 1 (Chrysalis) – Review zum Serien-Auftakt

Wie sehr ist ein Spiel noch Spiel, wann ist es nur noch Film? Eine Frage, die wir so, oder so ähnlich, in den letzten Jahren sehr oft in der einschlägigen Videospielpresse lesen mussten. Fest steht: Wir spielen sie oft, diese „Filmspiele“. ‘Heavy Rain’ oder ‘Beyond: Two Souls’ aus dem Hause Quantic Dream zum Beispiel, dessen Quick-Time-Events das Höchste der spielerischen Involvierung darstellen. Oder die aktuell blühenden Titel des Entwicklers Telltale – ‘The Walking Dead’, ‘The Wolf Among Us’, ‘Tales Of The Borderlands’, ‘Game Of Thrones’. Hier sind wir auch eher Zuschauer als Spielfigur, können aber in entscheidenden Momenten mit unseren Antworten in Dialogen die Richtung der Story verändern. Und wir spielen sie aus gutem Grund, diese Filmspiele. Denn: in einer Zeit, in der Spiele im Zuge immer größerer Realitätsnähe gleichzeitig auch immer mehr dem Film ähneln, ist es nur logisch, wenn wir auch wirklich mal einen Film spielen – und uns mit der Was-Wäre-Wenn-Frage austoben. Mit ‘Life Is Strange’ kommt nun ein weiterer Titel dieser Machart, dass aber tatsächlich Mal nicht von Telltale kommt. Wir haben uns die erste Episode angeschaut und festgestellt, dass Dontnod (Remember Me) zwar vieles gleich, aber letztendlich doch einiges erfrischend anders machen.

 

Zwischen Alltag und Abnormal

Nachdem unsere gerade 18 gewordene Protagonistin Max vor 5 Jahren mit ihrer Familie nach Seattle gezogen ist, kehrt sie nun für ein Fotografie-Studium in ihren ehemaligen Heimatort zurück. Hier trifft sie nicht nur auf neue Kommilitonen und einen belebten Campus, sondern, wie soll es anders sein, auch auf alte Bekannte – zum Beispiel ihre ehemalige beste Freundin Chloé. Deren neue beste Freundin Rachel seit Neustem wie vom Erdboden verschluckt ist. Aber irgendwie erscheint das noch eher nebensächlich und auf die lange Bank geschoben, ist da doch noch was ganz anderes: Max kann plötzlich die Zeit zurückdrehen. Einfach so. Und dann war da noch dieser Traum: Ein riesiger Tornado, der sich geradewegs auf die neue-alte Heimat zu bewegt. Was hat es bloß damit auf sich?

Life Is Strange 1

Die introvertierte Protagonistin Max muss sich an der Universität für Fotografie beweisen.

 

Campusleben

Max ist dieses typische, introvertierte Mädchen, dessen Leben sich augenscheinlich eher im Kopf als in der Welt abspielt. In ‘Life Is Strange’ lernen wir sie und ihre Welt kennen – mit ausführlichen, stets aktualisierten Tagebuch-Einträgen, über Gespräche mit Kommilitonen, über ihre Gedanken aus dem Off. Oder, wenn wir unsere Umwelt auf eigene Faust erkunden. Abseits der großen Story-Sequenzen bewegen wir uns einen Großteil der Spielzeit selbstständig durch die Spielwelt und haben dabei die Gelegenheit, viel über unser Umfeld und unsere Protagonistin selbst zu erfahren. Die liebevoll und ausführlich gestalteten Zimmer unserer Kommilitonen, von Chloé oder von Max stecken beispielsweise voller Details und Hinweise. Per Klick gibt Max Gedanken zu diesen Objekten Preis, sie kann aber auch mit ihnen interagieren und damit Story-Ereignisse triggern. Sollen wir so tun, als hätten wir den Schwangerschafts-Test einer Kommilitonin beim Suchen nach unserem Speicherstick übersehen, oder das Ganze ansprechen – und damit eventuell unsere Kommilitonin gegen uns aufhetzen, da ihr die Frage unangenehm ist? Immerhin kennen wir sie kaum. Sollten wir die Überwachungsanlage des Stiefvaters von Chloé in Ruhe lassen, über die wir in ihrer Garage stolpern? Wer gerne neugierig ist, braucht aber nicht Angst vor den Konsequenzen zu haben – immerhin können wir die Zeit zurückspulen.

Life Is Strange_2

Die Spielwelt ist voll mit Objekten und Details gespickt, die Aufschluss über uns oder andere Charaktere im Spiel geben.

 

Wer hat an der Uhr gedreht?

Dontnod geben mit ‘Life Is Strange’ dem Zeitspul-Feature noch mal eine zweite Chance. Bereits ihr erstes Spiel ‘Remember Me’ versuchte sich an diesem Feature, wirkte aber im Action-Adventure-Kontext eher aufgesetzt und kam letztendlich viel zu kurz. Mit ‘Life Is Strange’ scheinen Dontnod nun die richtige Anlaufstelle für dieses Feature gefunden zu haben. Statt nur nettes Beiwerk ist es hier nämlich integraler Bestandteil des Spiels. Gefällt uns die Konsequenz unserer Entscheidung nicht, können wir jederzeit zurück in der Zeit und uns neu entscheiden. Das schadete dem Gewicht unserer Entscheidungen übrigens bisher nie, da beide Entscheidungsmöglichkeiten stets auf ihre Form Vor- und Nachteile bürgen – ein richtig oder falsch gibt es nicht. Das Feature beflügelt stattdessen unser um die Entscheidungsmöglichkeiten kursierenden Gedanken, da wir stets in der Verlegenheit sind, alle Möglichkeiten auszuprobieren. In anderen Spielen laden wir alte Spielstände oder schauen uns Let’s Plays an, hier erledigen wir das Ganze via Knopfdruck. Das Zeitspul-Feature findet sich aber auch in kleineren Rätseln wieder, in denen wir den Verlauf der Geschehnisse genau in die Reihenfolge bringen, dass es unseren Zielen nützt. So lernen wir beispielsweise an einer Stelle, dass beim Anmachen der Waschmaschine durch die sich dadurch ergebenen Vibrationen das benötigte Objekt vom Schrank fällt. Hätten wir nur das lange Stück Pappe unter den Tisch gehalten, landet das Objekt doch genau dort in der hintersten Ecke, wo wir mit unseren Händen nicht mehr hinkommen! Aber alles kein Problem: Zeit zurückspulen, Pappe unter den Tisch schieben, Waschmaschine anmachen und dann das Objekt mit dem Stück Pappe unterm Tisch hervorbringen.

Wie in Telltale-Spielen beeinflussen die Antworten in unseren Dialogen die Handlung oder die Art, wie andere Charaktere zukünftig auf uns wirken.

Wie in Telltale-Spielen beeinflussen die Antworten in unseren Dialogen die Handlung oder die Art, wie andere Charaktere zukünftig auf uns wirken.

 

Technik? Zweckmäßig, aber schön

Ungeachtet dessen, dass ‘Life Is Strange’ auch für Konsolen der letzten Generation entwickelt wurde, ist die Grafik eher von gestern. Die Spielfiguren kommen etwas kantig daher, Texturen sehen teils etwas verwaschen aus. Das ist aber – ähnlich wie bei Spielen von Telltale – nur halb so wild, da man sich auch hier eher auf einen schönen Stil besinnt. So wird Licht immer schön in Szene gesetzt, Blur-Effekte geben dem Szenario hin und wieder einen leicht mystischen Touch, außerdem gefallen die lebhaften Gesichter der Charaktere. Wirklich daneben ist allerdings die Lippen-Synchro, die fast nie gegeben ist – ein großer Wermutstropfen bei einem so Dialog-fixierten Spiel wie ‘Life Is Strange’. Woran sich übrigens innerhalb der ersten Staffel wohl nichts mehr ändern wird. Dafür leisten die englischen Sprecher einen sehr soliden Job. Eine deutsche Sprachausgabe ist nicht vorhanden. Musikalisch besinnt man sich auf entspannte Gitarrenmusik, die sich ins ruhige Erzähltempo und die sehr vorrangig von der Adoleszenz der Protagonistin geprägten Geschichte einfügen.

 

Fazit:

Life Is Strange gibt dem – ich nenne es mal so – „Telltale-Genre“ mit dem Zeitspul-Feature einen mehr als gelungenen neuen Anstrich. Zwar muss ich (noch?) nicht hektisch über Leben und Tod meiner Mitmenschen entscheiden, überhaupt ist das Setting eher brav. Durch die vielschichtigen Entscheidungsmöglichkeiten komme ich aber dennoch jedes Mal ins Grübeln. Ist es nicht so, dass Entscheidungen gerade dann am schwersten zu Fällen sind, wenn man doch jedes Mal noch mal zurückpaddeln kann? Die Besinnung auf eher alltägliche Konflikte ist für mich eine gelungene Abwechslung zu Zombie-Apokalypse oder königlichen Machtspielchen. Zumal mir dank überraschend stark ausgebauter Adventure-Schlagseite genug Gelegenheit gegeben wird, mich in diesen Mikrokosmos einzufühlen. Und der Wink zur Mystery-Schlagseite am Ende der ersten Episode lässt hoffen, dass es nicht lange so „langweilig“ bleibt. Kurzum: Mir hat die erste Episode sehr gut gefallen und ich bin voller Vorfreude auf das, was mich noch erwarten wird.

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