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Torment: Tides of Numenera – Test zum Pen&Paper-Rollenspiel

Knapp 17 Jahre ist es her, da erschien mit Planescape Torment eines der einflussreichsten Rollenspiele aller Zeiten. Ein textlastiges Abenteuer basierend auf einem Pen&Paper-Rollenspiel, welches die Rollenspielercommunity teilte wie kaum ein anderes Spiel. Nun erscheint mit Torment: Tides of Numenera ein spiritueller Nachfolger, welcher ebenfalls ein Pen&Paper-Script als Vorlage hat: „Numenera“ von Monte Cook, der auch Planescapes Pen&Paper-Vorlage erarbeitet hat. Und wie Torment dies nun in einem Rollenspiel unterbringt, erfahrt ihr in unserem Test.

 

Und du fällst…

Eine Milliarde Jahre in der Zukunft ist es einem Mann gelungen, sein Bewusstsein in neue Körper zu pflanzen. Mithilfe von antiken Maschinen, den namensgebenden Numenera, verlässt er eine Hülle und betritt einen neu erschaffenen Körper. Die alte Hülle wird zurück gelassen und entwickelt selbst ein Bewusstsein. Und wir spielen die letzte Hülle, die der sogenannte „Wandelnde Gott“ zurücklässt. Fallend, Tausende Meter in der Luft, erwacht ihr und müsst eure Gedanken sammeln. Ihr seid der letzte Verstoßene, aber woran erinnert ihr euch? Diese und noch viele weitere Fragen werden in Torment: Tides of Numenera gestellt. Nicht nur, dass ihr eure Gefühle, euren Charakter und euer Vermächtnis entschlüsseln wollt, ihr müsst auch noch einer Bestie entkommen. Der Kummer, so der Name der Bestie, verfolgt nämlich den wandelnden Gott und all seine Verstoßenen, schließlich hat er das Gleichgewicht mit seiner Quasi-Unsterblichkeit durcheinander gebracht. Und wenn euch das schon alles abstrus und verwirrend vorkommt, dann seid ihr nicht bereit für die unzähligen Nebengeschichten, die Torment zu erzählen hat.

Hm, was das wohl ist? Diese Frage werdet ihr euch in Torment oft stellen

 

Noch mehr lesen

Torment: Tides of Numenera ist ein Pen&Paper in Videospielform und genau so spielt es sich auch. Es gibt viel zu lesen und damit meine ich nicht: „Oh, dieses Spiel hat ein wenig mehr Text als andere Titel“, oh nein, es hat sehr viel mehr, ja sogar EXTREM viel mehr Text als andere Spiele. Fast jeder NPC, den ihr ansprecht, wird im Detail beschrieben: Sein Aussehen, seine Mimik, wie er euch anschaut, was er anhat, wie seine Stimme klingt, einfach alles. Zudem sind die Dialoge nicht nur wie in einem Roman geschrieben, es gibt auch noch an jeder Ecke außergewöhnliche Maschinen und Gerätschaften zu entdecken. Torment braucht wirklich erst mal eine verdammt lange Zeit, um euch seine Welt vorzustellen. Und die Art, wie ihr die Geschichte erlebt, sowie die Geschichte selbst, ist bei jedem Playthrough unterschiedlich. So trefft ihr zu Beginn zum Beispiel zwei Nano (die Magierklasse in Torment), Aligern und Callistege. Die beiden können sich nicht besonders gut leiden und so müsst ihr euch recht schnell entscheiden, wen von ihnen ihr mitnehmen wollt. Vielleicht wollt ihr ja auch komplett alleine losziehen? Und hier ist schon die erste Abzweigung, die eure Story nimmt. Denn je nachdem, wen ihr in eurer Party habt, stehen euch andere Quests oder alternative Lösungen in Konflikten zur Verfügung. Da kann es durchaus mal passieren, dass euch ein Partymitglied anquatscht, weil er diesen Teil der Stadt wiedererkennt. Torment lebt wirklich davon, jedes Detail genau zu untersuchen und sich jede Textpassage genauestens durchzulesen. Und dies ist nicht wirklich jedermanns Sache, besonders, da Einsteigern nicht wirklich viel Hilfe geboten wird. Es gibt keine Questmarkierungen, Archive aller Dialoge oder ein Glossar für alle verschiedenen Begriffe. Ihr müsst das alles schon alleine machen, von Einsteigerfreundlichkeit kann nicht wirklich die Rede sein.

Jedes andere Rollenspiel: “Wow, ein Roboter”. Torment: “…….”

 

Ich würfel auf Intelligenz

Abseits von den Massen an Textboxen, die euch im Spiel begegnen werden, hat Torment natürlich auch andere Rollenspielaspekte zu bieten. Jedoch alles in etwas anderer oder abgespeckter Form. So gibt es nur wenig Slots für Waffen, Kämpfe sind ohnehin rar gesät. Und es müssen auch nicht immer Kämpfe werden, vielmehr wird ein Konflikt als Krise bezeichnet. Ihr könnt zwar stumpf auf eure Gegner draufkloppen, ihr könnt aber auch eure Umgebung nutzen, um euch ihrer zu entledigen. Oder aber ihr redet mit euren Widersachern, vielleicht lässt sich die Situation ja friedlich lösen. Dazu müsst ihr jedoch die nötigen Skills vorweisen. Und da kommen wir zum Aspekt „abgespeckt“, den ich vorhin angesprochen habe. Torment bietet euch nicht die größte Auswahl an Klassen, Skills oder Attributen. Es gibt nur drei Klassen: Nano, die Magier, Glaiven, die Haudrauf-Elitekrieger, und Jacks, die Allrounder. Im Prolog ermittelt ihr mittels einiger euch gestellten Fragen eure Fertigkeiten. So ist mein Jack zum Beispiel gut im Grundwissen Maschinen und besitzt zudem schnelle Finger. Technikkram kann ich also besonders gut auseinander bauen. Wenn euch die Ergebnisse eurer Charaktererstellung nicht gefallen, könnt ihr die Werte natürlich nach dem Prolog nochmal umstellen. Und dann wären da die drei Wertepools, aus denen ihr für eure Entscheidungen schöpft und die eure Kampffertigkeiten bestimmen. Stärke lässt euch hart mit Äxten etc. zuschlagen, ihr könnt die Punkte aber auch für eine Bedrohung in einer Unterhaltung nutzen. Oder ihr seid intelligent und lasst einen klugen Kommentar von den Lippen, um euer Gegenüber zu überreden. Dafür könnt ihr Intelligenz im Kampf auch für Magie benutzen. Die Werte aus euren Pools werden jedoch verbraucht und ihr könnt sie nur mit bestimmten Tränken oder Übernachtungen auffüllen. Also müssen eure Entscheidungen wohlüberlegt sein, denn vielleicht braucht ihr die Skillpunkte ja noch in einer anderen Situation. Zudem vergeht Zeit wenn ihr schlaft und das kann sich auf eine eurer Quests auswirken. Generell gibt es viele Situationen, die Auswirkungen auf andere Geschehnisse haben können. Ihr stoppt eine Art Ritualmord, indem ihr die Menge gegen die Henker aufhetzt? Dann kann es sein, dass die Verantwortlichen das nicht gutheißen werden. Dieser Aspekt macht Torment so besonders. Es ist nicht die Hauptstory, die hier im Fokus liegt, sondern eure eigene Geschichte und die der vielen NPCs, die alle so skurril sind, dass man sich schon mal am Kopf kratzen muss. Da ist ein Stadtbewohner in eine Leiche verliebt, die er reanimieren will. Eine andere Stadtwache verfolgt einen Bewohner, weil dieser ihm eines seiner Lebensjahre geschenkt hat, dieses aber ein sehr schlimmes Jahr ist und unangenehme Gefühle auslöst. Und wenn ihr sterbt, landet ihr in einer Art Erinnerungsdimension, in der ihr eure Erinnerungen als auch die anderer beobachten und sogar manipulieren könnt. Torment ist so dermaßen bizarr und man möchte immer mehr über diese skurille und sehr außergewöhnliche Welt in Erfahrung bringen.

Habt immer die Fähigkeiten eures Charakers und eurer Partymitglieder im Blick

 

Bei Chiffritis fragen sie ihren Arzt oder Apotheker

Ein weiterer Aspekt, der Torment so besonders macht, sind ausrüstbare Gegenstände. Neben Waffen und Rüstungen gibt es zwei Arten von Hilfsmitteln, die sowohl ihre Vorteile, als auch ihre Nachteile mit sich bringen. Da wären zum einen die Cypher. Dabei handelt es sich um einmalig verwendbare Gegenstände, die euch in unterschiedlichen Situationen hilfreich sein können, indem sie zum Beispiel ein Alien rufen (kein Scherz). Jedoch könnt ihr nur eine bestimmte Anzahl an Cyphern mit euch tragen. Wenn ihr mehr bei euch habt, dann leidet ihr unter Chiffritis. Diese Krankheit wird immer schlimmer und bewirkt Nerfs in euren Statuswerten bis hin zu eurer spontanen Selbstexplosion. Dann wären da noch die Artefakte, die euch Buffs auf eure Werte geben. Oder aber ihr könnt mehr Cypher mit euch tragen. Doch auch hier können negative Effekte auftreten, wenn eure Konzentration nicht reicht. Ihr müsst also nicht nur in den Dialogen und Krisen aufpassen, auch euer Inventar und euer Charakter will gemanaged werden. Aber natürlich lernt ihr und eure Partymitglieder mit zunehmender Erfahrung neue Skills und wertet eure Attribute auf. In eurer Party können sich übrigens nur drei Mitglieder befinden, überschüssige Partner müsst ihr austauschen. So enstehen, wie schon angemerkt, unterschiedliche Situationen, die ein erneutes Durchspielen oder das Führen mehrer Spielstände empfehlenswert machen.

Krisen geschehen selten und sind auf die unterschiedlichsten Arten zu lösen

 

Die bizarre Welt von Torment

Torment: Tides of Numenera punktet nicht gerade mit seiner Optik und dennoch kann es optisch punkten. Macht keinen Sinn? Nun, wir reden hier über Torment, ich erwähnte doch bereits, dass es bizarr ist. Also: Die Grafik an sich ist kein Meilenstein, das Spiel hätte schon kurz nach Planescape erscheinen können. Dennoch machen die verschiedenen Gebilde, die ihr im Laufe eures Abenteuers untersucht, reichlich Eindruck. „Oh, was ist denn das da hinten?“ ist ein oft von mir gefallener Satz während des Spielens. Die Skurrilität der Spielewelt ist es, was optisch überzeugt. Nicht so ganz überzeugend ist die Textausgabe. Ja, schon komisch bei so einem textlastigen Spiel, nicht wahr? Zwar gibt es deutsche Text- und englische Sprachausgabe, aber bei beiden Aspekten gibt es kleinere Mängel. Im Text haben sich etliche Rechtschreibfehler eingeschlichen und das mag mit der schieren Masse an Text zusammenhängen, aber 1000 Seiten dicke Romane kommen auch oft ohne Fehler aus. Und die Sprachausgabe ist nur sporadisch mit meist sehr kurzen Onelinern verteilt. Ab und zu wurde mal ein Dialog vertont, aber das trägt nicht allzu viel zum Spielerlebnis bei. Torment hätte es bei Textboxen belassen können.

 

Positiv:

Bizarre Sci-Fi-Welt
Interessante Geschichten
Taktisches Inventar-, Charakter- und Krisenmanagement
Tiefgehende, detailreiche Dialoge
Hoher Wiederspielwert
Entscheidungen mit weitreichenden Folgen

Negativ:

Nicht besonders einsteigerfreundlich
Zahlreiche Textfehler
Sprachausgabe zu sporadisch
Kämpfe (Krisen) zu rar gesät
[testimonial_slider][testimonial image_url=”58910″ image_width=”180″ image_height=”180″ name=”Maarten Cherek, Redakteur”]
Torment: Tides of Numenera ist nicht nur schwer auszusprechen, sondern auch kein einfaches Rollenspiel. Viel lesen, absurde Situationen, wenig Action, komplexe Quests, eine sehr lange Spielzeit. Torment ist nicht unbedingt etwas für Jedermann, und dennoch etwas ganz besonderes. Fans von Planescape werden sich sofort heimisch fühlen und wer sich auf dieses Spielerlebnis einlässt, den erwartet ein Abenteuer, wie er es noch nie erlebt hat. Tolle Charaktere, spannende Geschichten, interessante Orte, dies und mehr hat Torment zu bieten. Um es auf den Punkt zu bringen: Torment ist ein ganz besonderes Rollenspielerlebnis.
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Ab in die Rollenspielsammlung?

Torment ist wirklich nur empfehlenswert, wenn ihr sehr gerne lest. Die vielen Texte schrecken Casual-Rollenspieler eher ab, bringen aber andere in eine aufregende Welt.

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