„Das Ende ist nah“, „Die Welt geht zu Ende“ und ähnliche Aussagen sind gerade leider so aktuell wie noch nie. Themen wie globale Erwärmung und die Folgen, die unser aktuelles Verhalten als Menschheit nach sich zieht, beschäftigen Generationen weltweit. Natürlich schaffen diese Überlegungen es somit auch auf die große Leinwand. Mit Tides wird ein Gedankenexperiment getätigt, das sich mit einem dystopischen Zukunftsentwurf beschäftigt. Was wir von dem Sci-Fi-Thriller halten, das erfahrt ihr hier.
Die Story von Tides
Mitte des 21. Jahrhunderts ist die Erde für die Menschheit unbewohnbar geworden. Klimawandel und Krieg haben unseren Planeten so sehr zerstört, dass wir ins All geflohen sind. Die Weltraumkolonie Kepler lebte für zwei Generationen in Frieden, steht nun allerdings vor einem weiteren Problem: Die dortige Strahlung macht die Menschen unfruchtbar und ein Überleben der Menschheit ist nicht gesichert. Unter dem Namen Ulysses wird ein Forschungstrupp losgeschickt, der herausfinden soll, ob die Erde mittlerweile wieder sicher und eine Repopulation möglich ist. Die Gruppe verschwindet spurlos und einige Jahre später wird die Ulysses 2 entsandt, um die Arbeit ihrer Vorgängerin zu beenden.
Die Astronautin Louise Blake ist eine der beiden einzigen Überlebenden der Ulysses 2. Als sie und ihr Kollege Tucker von einer Gruppe Überlebenden, den sogenannten Muds, überfallen werden, beginnt eine abenteuerliche Reise für sie, auf der sie sich und all das, was sie auf Kepler gelernt hat, hinterfragen muss. Und dann ist da noch das Mysterium um die Ulysses 1 und Blakes Vater, der damals als ihr Kapitän mit dem Forschungstrupp verschwand…
Unsere Kritik zu Tides
Insgesamt handelt es sich bei Tides um einen durchaus soliden Film, der es schafft, den Konflikt der Protagonistin auf eine nachvollziehbare Art und Weise darzustellen. Auch das Drumherum des Films ist stimmig und die nicht ganz so subtile Kolonialismus-Kritik setzt dem Ganzen noch eine Krone auf. Doch beginnen wir von vorn.
Abrupter Einstieg
Als Zuschauer*in wird man in Tides mitten ins Geschehen geworfen. Die Ulysses 2 landet mit einigen Turbulenzen auf der Erde, es ist laut und die Bilder sind schnell und energisch. Unterbrochen wird dieser Tumult von Black-Outs, schwarzen Screens, auf denen in Textform die Geschichte der Menschheit erklärt und der Rahmen der Handlung gesetzt wird. Normalerweise bin ich kein Fan von solchen Einblendungen (nein, auch nicht bei Star Wars), aber irgendwie hat es hier einfach gepasst. Auch fühlte sich der abrupte Start nicht unpassend an, wie das leider doch häufig der Fall ist, sondern war überraschend spannend und hat direkt das Interesse geweckt.
Besorgniserregender Zukunftsentwurf
Die Welt, die Tides zeichnet, ist eine triste. Auf der Erde ist Wasser das dominierende Element (daher auch der griffige Titel des Films), es gibt wenig Zivilisation und stattdessen bloß weite Flur, endlose Horizonte und eben die Flut, die kommt und geht. Im Gegensatz dazu steht die Bevölkerung auf Kepler, in deren Strukturen man durch ein paar Rückblicke in Blakes Kindheit Einblicke erlangt. In einem Gespräch mit ihrem Vater sagt dieser ihr: „Wir lassen uns nicht von Emotionen leiten, wir tun alles für die Gesellschaft.“ Und das ist nicht nur so daher gesagt, sondern spiegelt sich gerade zu Beginn des Films in allem wider, was Blake tut und sagt. Und damit kommen wir direkt zum nächsten Punkt.
- Roland Emmerich (Produzent)
- Zielgruppen-Bewertung: Freigegeben ab 12 Jahren
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Kulturclash vom feinsten
Louise trifft auf die Menschen auf der Erde und ist überrascht von ihren Brauchtümern. Sie sprechen eine Sprache, die vage ihrer eigenen gleicht, aber doch nicht ganz dasselbe ist. Sie leben in einer Gemeinschaft, in der sie egoistisch sein dürfen, ihre eigenen Bedürfnisse bevorzugen, und sie beginnt, ihre eigenen Überzeugungen zu hinterfragen. Diese emotionale Reise, diese Wandlung ihrer Prinzipien ist auf eine unheimlich gute Art und Weise dargestellt. Denn auch, wenn sie zuerst auf der Seite der Erdenbewohner*innen steht, um ihre eigenen Ziele weiter verfolgen zu können, verändern sich ihre Motive doch zunehmend und schließen eine ganz natürliche Entwicklung ab, beeinflusst durch ihre Erlebnisse.
Kolonialismus neu aufgezeigt
Ein Thema, das Tides alles andere als subtil anspricht, ist der Kolonialismus. In den Zeiten der Kolonialisierung stellten Länder Besitzansprüche an Territorien, in denen bereits Menschen lebten, und erklärten sie zum eigenen Staatsgebiet. Häufig ging das einher mit Völkermord und der Verbreitung von Falschinformationen über die nativen Völker. Und genau das sehen wir auch in Tides. Die Menschen von Kepler halten die Muds auf der Erde für primitiv, für weniger zivilisiert, und propagieren ihre eigenen Werte und Ideen eines „richtigen“ Lebens. Wir sehen auch Individuen, die von der einen Seite auf die andere wechseln: zum einen einen Kepler, der sich in eine der Mud-Frauen verliebt und sich in Auseinandersetzungen auf die Seite ihrer Siedlung schlägt. Zum anderen einen jungen Mann, der „bekehrt“ worden ist und zu einem treuen Anhänger der Kepler wird. Dazu kommen die Methoden, mit denen die Kepler den Muds begegnen, wie sie mit ihnen und über sie sprechen… die Liste ist lang und es ist unmissverständlich, dass hier direkte Anspielungen auf die Kolonialisierung durch die westliche Welt gemacht wurden.
Liebens- und hassenswerte Charaktere
Häufig sind die Protagonist*innen in solchen Apokalypsen-Filmen relativ zweidimensional. Hier ist es den Produzierenden jedoch gelungen, mit Louise Blake eine junge, ambitionierte und von ihrer Überzeugung getriebene Frau zu kreieren, die sich zwischen zwei Welten wiederfindet und damit einem starken, inneren Konflikt gegenübersteht. Ihre Reaktionen auf die Geschehnisse um sie herum sind absolut nachvollziehbar und vor allem menschlich. Und auch die zahlreichen Nebencharaktere sind sehr gut konzipiert: von ihrem Kollegen Tucker über Narvik, eine Mud-Frau bis hin zum Hauptantagonisten des Films, dessen Namen ich aus Spoiler-Gründen noch nicht verraten möchte, wirken alle Charaktere unheimlich gut durchdacht. Eine große Rolle hierbei spielt natürlich auch das Schauspiel, das ebenfalls überzeugt. Und gerade hier muss noch einmal besonders der Darsteller des Bösewichts erwähnt werden, der es genau schafft, den Grat zwischen charmant und beunruhigend zu gehen.
Und das Drumherum
Auch in puncto Bild und Ton leistet Tides ganze Arbeit. Die Aufnahmen der Erde sind eindrucksvoll und es wird mit zwei Extremen gearbeitet, um die beklemmende Atmosphäre des Films zu fördern: auf der einen Seite endlose Weiten, Wasser und Watt, wohin das Auge reicht. Auf der anderen Seite bekommt das Publikum bloß ein sehr eingeschränktes Sichtfeld, das einen wirklich um die Sicherheit der Charaktere bangen lässt. Unterstrichen wird all das durch einen minimalistischen Soundtrack, der allerdings gegen Ende noch einmal voll aufdreht und das Finale umso epischer erscheinen lässt.
Informationen zu Tides
- Originaltitel: Tides
- Laufzeit: ca. 104 Minuten
- Heimkinostart: 17. Februar 2022
- Altersfreigabe (FSK): ab 12 Jahren freigegeben
- Besetzung: Nora Arnezeder, Bella Bading, Ian Glen, Sebastian Roché
Trailer zu Tides

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Ab in die Filmsammlung?
Tides ist ein easy-going Apokalypsenfilm, der trotz seiner ernsten Themen nicht zu düster wird und mit gutem Writing überrascht. Wem das gefällt, der sollte sich den Streifen zulegen. Seid ihr auf der Suche nach einem Sci-Fi-Blockbuster, dann seid ihr hier allerdings falsch.