Wenn wir als Gesellschaft eine Sache gelernt haben, dann, dass wir unsere Geschichte nicht vergessen dürfen. Die Fehler unserer Vergangenheit sind etwas, das wir mit uns tragen und aus denen wir lernen müssen. Eine stetige Auseinandersetzung ist also absolut notwendig – und das auch in Form von Kunst. So bilden beispielsweise Filme über den Zweiten Weltkrieg bis heute fast schon ein eigenes Genre und schaffen es immer wieder, ihr Publikum zu fesseln und machen die Dinge, die man im Geschichtsunterricht lernt, ein Stück weit greifbarer. Mit The Secrets We Keep kam 2020 ein weiterer Film auf den Markt, der sich mit den Folgen des Holocaust auseinandersetzt. Wir haben ihn uns für euch angesehen und erzählen euch gern, was wir von ihm halten.
Die Story von The Secrets We Keep
Die Protagonistin von The Secrets We Keep ist Maja Reid, eine aus Rumänien stammende Überlebende des Zweiten Weltkriegs, die mittlerweile in den frühen 1960er-Jahren in den USA lebt. Mit ihrem Mann Lewis, der Arzt in einer örtlichen Praxis ist, und ihrem gemeinsamen Sohn Patrick führt sie ein ruhiges, friedliches Vorstadtleben und scheint ihre Vergangenheit hinter sich gelassen zu haben.
Dieser Frieden wird unverhofft unterbrochen, als sie eines Tages auf der Straße Thomas Steinmann sieht, der sie vollkommen aus der Bahn wirft – er erinnert sie an einen der deutschen Soldaten, die sie und ihre Familie vor vielen Jahren attackiert haben. Sein Anblick triggert Maja enorm und bald schon entführt sie ihn, um ihn zum Reden zu bringen. Ohne ein Geständnis wird sie ihn nicht gehen lassen. Aber handelt es sich wirklich um den, für den sie ihn hält, oder spielen ihre traumatischen Erinnerungen ihr einen Streich?
Unsere Kritik zu The Secrets We Keep
The Secrets We Keep ist der beste Film über die Folgen des Zweiten Weltkriegs, den ich seit Langem gesehen habe. Der Fokus des Films liegt nicht auf den fürchterlichen Dingen, die während des Krieges in Europa passierten, sondern beschäftigt sich ausschließlich mit dem Trauma, das Überlebende unweigerlich davontragen. Das macht ihn zu einem spannenden und bedrückenden Psychothriller, der es durchaus schafft, gut mit diesem sensiblen Thema umzugehen. Aber gehen wir doch ins Detail.
Trauma done right
Ein Problem, das meiner Meinung nach viel zu viele Filme haben, die Trauma ansprechen, ist eine übertriebene oder einfach komplett unrealistische Darstellung des Traumas. The Secrets We Keep hat allerdings seine Hausaufgaben gemacht. Die Art und Weise, wie Maja getriggert ist, besteht nicht nur aus Flashbacks, zitternden Händen und Atemnot. Sie wird von Alpträumen geplagt und beginnt, in alte Muster zurückzufallen: Das heißt unter anderem eine Paranoia gegenüber allem und jedem und die Angewohnheit, auf dem Boden zu schlafen. Trauma äußert sich auf verschiedene Arten und Weisen und als Überlebende eines Weltkriegs ist es realistisch, dass sich Maja in die Zeit zurückversetzt fühlt, in der sie vor den Nazis flüchten musste.
The Weight of Living
Ein weiterer Aspekt, der sich durch Majas Situation zieht, ist die Überlebensschuld. Wir erfahren irgendwann, dass sie ihre Schwester in der Attacke der deutschen Soldaten verloren hat. Der Gedanke, dass sie zu Unrecht überlebt hat und das Gefühl, Schuld an dem Tod ihrer Schwester zu haben, belasten sie ungemein. Dazu kommen ein paar Erinnerungslücken aus der Nacht des Angriffs, die sie mit der Hilfe ihres Gefangenen zu schließen versucht. Majas Verzweiflung sowie ihre Überzeugung, dass sie all das, was sie tut, braucht, um abschließen zu können, sind so gut geschrieben und überzeugen durchweg.
Ist Selbstjustiz okay?
Zwischen ihren persönlichen Problemen und der Tatsachen, dass sie einen Mann in ihrem Keller gefangen hält, stellt sich irgendwann unweigerlich die Frage, ob das, was Maja tut, überhaupt gerechtfertigt. Sollte es sich bei Steinmann tatsächlich um den schrecklichen Mann aus ihren Erinnerungen halten, hat er all das, was ihm geschieht, verdient, oder? Aber was ist mit seiner Familie, seiner Frau und seinen Kindern? Geht Maja hier zu weit? Was ist überhaupt eine gerechte Strafe für ein solches Vergehen? Und auf welcher Grundlage können solche Entscheidungen gefällt werden? All diese Fragen treiben einen als Zuschauer*in um und regen auch noch nach Ende des Films zum Nachdenken an.
Fast perfekte Spannungskurve
Von Beginn an ist die Atmosphäre von The Secrets We Keep fesselnd. Maja ist ab dem Punkt, an dem sie Steinmann entführt, absolut unberechenbar und man ist in jeder Minute gespannt, was sie als nächstes tun wird und wie weit sie zu gehen bereit ist. Als Ruhepol in all dem Trubel dient Lewis, der ihr zwar bedingungslos vertraut, aber trotzdem als Stimme der Vernunft einschreitet. Dass nicht hundertprozentig klar ist, ob Majas Erinnerungen stimmen oder ob Steinmann doch die Wahrheit sagt, trägt ebenfalls zur Spannung bei. Eine ortsweite Suche nach Steinmann macht die gesamte Situation schließlich noch nervenaufreibender und das Stresslevel, das man als Zuschauer*in beim Schauen des Films hat, nimmt bis zum Ende hin kaum ab, sodass die eineinhalb Stunden wie im Flug vorüber gehen.
Amerika rettet den Tag
Mein größter Kritikpunkt an dem gesamten Film betrifft das Ende. Ohne zu spoilern kann ich bloß sagen, dass ich die Wendung, die die Geschichte in den letzten Zügen nimmt, sehr amerikanisiert finde. Denn was wäre ein amerikanischer Film ohne die Message, dass die USA im Grunde die Helden sind, auf die wir armen Europäer*innen warten und dass oversea alles eigentlich sowieso besser ist? Naja, so sehr mich das auch gestört haben mag: Hierbei handelt es sich auf jeden Fall um Meckern auf hohem Niveau und nimmt dem Film insgesamt nicht viel.
Wer sich jetzt doch dafür interessiert, was genau ich meine, der findet eine detailliertere Aussage zum finalen Twist der Geschichte hier:
Willkommen in den 60ern
Das Setting des Films ist enorm wichtig für dessen Geschichte, die The Secrets We Keep erzählt. Hierfür sind gutes Szenenbild und Kostüm unabdingbar. Beide Abteilungen haben aber wirklich ganze Arbeit geleistet: Als Zuschauer*in fühlt man sich direkt zurückversetzt und kann die Atmosphäre des amerikanischen Städtchens geradezu fühlen. Natürlich hat auch das Schauspiel in großem Maße dazu beigetragen. Besonders Noomie Rapace überzeugt in der Hauptrolle der langsam den Halt verlierenden Maja. Doch auch die Nebendarsteller*innen machen einen grandiosen Job – ob der besorge Ehemann, der verängstigte und verwirrte Gefangene oder seine verzweifelte Frau, die bloß ihre Familie wiederhaben will.
Nichts für schwache Nerven
Natürlich behandelt The Secrets We Keep eine sehr sensible Thematik und spricht über schreckliche Geschehnisse. Das Wissen, dass solche oder ganz ähnliche Dinge vor nicht einmal hundert Jahren echten Menschen passiert sind, ist belastend, trägt allerdings noch einmal zusätzlich dazu bei, dass der Film einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt. Allerdings wird es auch durchaus bildlich in der Darstellung der Gräueltaten. In Flashbacks erinnert Maja sich an die Nacht, in der sie und ihre Familie von den deutschen Soldaten überfallen worden sind. Menschen sterben, Frauen werden vergewaltigt und der Film scheut nicht davor zurück, das auch zu zeigen. Wer von solchen Bildern getriggert wird oder damit nur schwer umgehen kann, der sollte in diesen Szenen also besser wegschauen.
Wichtiges Thema gut verpackt
Ja, der Krieg ist (gerade für uns junge Menschen) mehr eine Geschichte, die man schon zig mal gehört hat, als etwas Greifbares, und manchmal mag es schwer sein, sich vorzustellen, dass er wirklich passiert ist – vor allem in diesem Ausmaß. Umso wichtiger ist es, dass wir nie aufhören, die Geschichten der Opfer zu erzählen. Um uns dessen bewusst zu bleiben, ja, aber auch, um zu verstehen, dass etwas so Schreckliches immer wieder passieren kann. The Secrets We Keep schafft es, mit den komplexen Thematiken Schuld und Vergebung, Rache und Trauma umzugehen, fängt die Geschichte einer Überlebenden so gut ein, dass man vor dem Bildschirm regelrecht mit Maja mitfiebert. Es gelingt dem Film nicht nur, die Kriegsgeschichte zu erzählen, sondern vor allem den Schaden zu zeigen, den er auch viele, viele Jahre nach seinem Ende noch anrichten kann, die Auswirkungen, die er auf Opfer und Täter hat und dass ein Vergessen niemals möglich sein kann und sollte.
Informationen zu The Secrets We Keep
- Originaltitel: The Secrets We Keep
- Laufzeit: ca. 97 Minuten
- Heimkinostart: 10. September
- Altersfreigabe (FSK): ab 16 Jahren freigegeben
- Besetzung: Noomie Rapace, Joel Kinnaman, Chris Messina
Trailer zu The Secrets We Keep

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Ab in die Filmsammlung?
The Secrets We Keep ist harter Tobak. Wer das abkann und sich vielleicht ein wenig für Geschichte interessiert und dazu noch Lust auf einen guten Thriller hat, für den ist er auf jeden Fall die richtige Wahl.