Test: Digimon Story: Time Stranger

Digimon oder Pokémon? Das war früher eine große Debatte. Ich persönlich habe mich nicht für ein einzelnes Lager entschieden, sondern beide Franchises gefeiert. Dabei waren die Pokémon-Spiele besser, während der Digimon-Anime tiefgründigere Geschichten erzählte. Aber was ist denn mit Digimon-Spielen? Davon gab es zwar einige, die auch ihre Fans gefunden hat, aber so richtig ins Gespräch kamen diese eher selten. Doch spätestens seit dem doch sehr ordentlichen Digimon Story: Cyber Sleuth kam zum Vorschein, dass auch hier gute Spiele möglich sind. Und mit dem neuen Digimon Story: Time Stranger haben wir, so hört man, das wohl bisher beste Digimon-Spiel überhaupt erhalten. Ob das wirklich so ist, das lest ihr in diesem Test.

Eine verhängnisvolle Zeitreise

Okay, die Digimon-Serie hat schon immer bessere Geschichten erzählt und es sich auch immer erlaubt, auch mal richtig düstere Themen anzusprechen. Und die Story in Digimon Story: Time Stranger ist das nicht anders. Wir spielen als Agent oder Agentin der Organisation ADAMS. Diese hat sich darauf spezialisiert, Anomalien aufzuspüren und zu beseitigen, ohne dass die Zivilbevölkerung etwas davon mitbekommt. Dass es bei den Geschehnissen um das Auftauchen von digitalen Monstern in der realen Welt geht, brauche ich euch bestimmt nicht zu erzählen. Durch eine Verwicklung von Ereignissen landen wir 8 Jahre in der Vergangenheit, welches uns die perfekte Gelegenheit bietet, die Ursprünge einer großen Katastrophe in Shinjuku aufzuklären.

Die Geschichte ist durchaus fesselnd und hält uns mit einigen Wendungen auf Trab. Doch hier müssen wir mit zweierlei Maß messen, denn die Figuren der Geschichte unterscheiden sich deutlich in der Art, wie sie von der Geschichte präsentiert werden. Menschliche Charaktere wie etwa das Mädchen Inori oder die Mitarbeiter der Sicherheitsbehörde bleiben eher blass und uninteressant. Vielmehr gehen einige Charakter, Inori eingeschlossen, uns mit ihrem Gebrabbel ein wenig auf den Senkel.

Die Digimon sind jedoch die Stars der Show. Aegiomon zum Beispiel, ein Digimon mit wichtiger Rolle, begleitet uns konstant und ist eine sehr facettenreiche Figur mit ungeklärter Vergangenheit. Und auch für die Spielwelt gilt ähnliches wie bei den Charakteren. Abschnitte in der echten Welt, in denen wir Teile von Tokio erkunden, sind eher öde. Menschen sind nur gesichtslose Statisten, es gibt viele Abschnitte auf der Karte, in denen nichts los ist und generell verblasst es im Vergleich zur bunten Digiwelt, die wir im Laufe des Spiels auch besuchen.

Eine große Katastrophe ist immer ein guter Aufhänger für eine spannende Geschichte. | Bild: 2025 © Bandai Namco

Was für ein Digimon bist du?

Digimon Story: Time Stranger ist im Kern ein klassisches JRPG, welches verschiedene Elemente aus anderen Titeln miteinander verknüpft. So knüpfen wir Verbindungen mit Charakteren und Digimon, indem wir mit ihnen sprechen, wir erkunden die Oberwelt, können dort in Shops neue Items kaufen, Minispiele wie etwa ein digitales Kartenspiel zocken oder versteckte Objekte finden. In manchen Gebieten können wir auf Digimon treffen, doch anders als etwa in Pokémon fangen wir diese nicht einfach ein. Mit jedem besiegten Digimon steigt dessen Downloadrate. Haben wir genug Digimon derselben Art besiegt, liegt diese irgendwann bei 100% und wir können dieses Digimon zu unserer Party hinzufügen. Wir können aber noch mehr Exemplare besiegen, geladene Digimon auf 200% haben noch bessere Werte. Man kann also in einen richtigen Grind geraten, denn nur weil zwei Digimon gleich aussehen, heißt das nicht, dass sie auch gleich sind.

Persönlichkeitstypen spielen eine wichtige Rolle. Ihr kennt das sicher noch aus der Serie, wo es Wappen der Freundschaft, des Mutes, der Liebe usw. gab. In Digimon Story: Time Stranger gibt es zwar nur vier Grundtypen, doch auch mehrere Unterordnungen von ihnen. Ihr könnt die Persönlichkeiten eurer Digimon auch beeinflussen, indem ihr bestimmte Dialogoptionen in den Gesprächen mit ihnen auswählt. Die Persönlichkeiten wirken sich dann auf die Werte eurer Digimon aus, bestimmte Attribute könnt ihr in den Agentenfertigkeiten je nach Persönlichkeit stärken und auch auf die Digitation, also die Weiterentwicklung eurer Digimon, haben die Persönlichkeiten Einfluss.

Es gibt viele verschiedene Digimon, dessen Angriffe wir ausprobieren können. | Bild: 2025 © Bandai Namco

Agumon digitiert zuuuuu…ja, zu was denn?

Die Digitation ist in Digimon Story: Time Stranger das wohl interessanteste Feature. Auch hier wollen wir gerne mal den Vergleich zu Pokémon ansetzen. Da habt ihr etwa ein Glumanda, welches sich zu Glutexo entwickelt und schlussendlich wird es zu Glurak. Klar, es gibt auch ein paar abzweigende Entwicklungen, wie etwa Sichlor zu Scherox oder Axantor, Knarbon zu Crimanzo oder Azugladis und Kirlia zu Guardevoir und Galagladi, um nur mal ein paar Beispiele zu nennen. Aber auch dort sind die Entwicklungen dann fest und es gibt kein zurück mehr. Digimon geht da einen anderen Ansatz.

Ein Digimon digitiert aus dem Ausbildungsrang zum Anfänger, etwa Koromon zu Agumon. Doch es gibt noch einige weitere Möglichkeiten. So könnt ihr Koromon, je nachdem wie hoch bestimmte Werte sind, auch zu fünf anderen Digimon digitieren lassen. Und diese fünf Digimon können auch zu fünf verschiedenen Champion-Digimon werden. Gleiches gilt dann auch für Champion zu Ultra und für Ultra zu Mega. Es ist also fast ein wenig wie ein Gacha-System, man weiß nie genau, was man bekommt, hat aber trotzdem etwas Einfluss darauf. Und man kann Digimon auch de-digitieren, heißt sie in eine Stufe zuvor zurücksetzen. So könnt ihr, wenn euch ein bestimmtes Digimon nicht zusagt, einen anderen Entwicklungsweg einschlagen. Das Herumprobieren mit verschiedenen Digitationen, der Dopaminkick, welches Digimon nun herauskommt, ist ein Highlight des Spiels.

Sollte ein Wert mal noch nicht ausreichen, um ein gewünschtes Digimon zu digitieren, dann könnt ihr es einfach in die Digimon-Farm absetzen und dort in dem entsprechenden Wert trainieren. Leider ist dies etwas umständlich, weil ihr in der Farm selbst nicht mehr die Voraussetzungen für eine Digitation nachschauen könnt. Ihr müsst euer Digimon also erst wieder herausholen, könnt dann die Werte checken und es gegebenenfalls dann wieder in die Farm stecken. Das hätte deutlich cleverer gelöst werden können.

Digitation fangen vielleicht einfach an, werden aber sehr schnell sehr komplex. | Bild: 2025 © Bandai Namco

Digimon Story: Time Stranger ist ein klassisches JRPG, oder etwa doch nicht?

Gut, wir haben alle Vorbereitungen abgeschlossen. Wir haben unsere Digimon trainiert, sie digitieren lassen und mit gefundenen Items ausgerüstet, was nun? Naja, nun wird gekämpft. Die Kämpfe verlaufen relativ klassisch im rundenbasierten Prinzip. Wir haben immer drei Digimon in vorderster Reihe und drei weitere Digimon in der Reserve. Ein Zeitstrahl zeigt uns die Reihenfolge der Akteure an, wir wählen unsere Angriffe aus und berücksichtigen dabei natürlich Stärken und Schwächen.

Hier gibt es ein paar Aspekte zu berücksichtigen. Erst einmal gibt es ein klassisches Schere-Stein-Papier-Prinzip. Nur heißten die Attribute hier Datei, Serum und Virus. Neben diesen drei Faktoren gibt es auch mehrere Elemente, die einige Angriffe innehaben. Und so kann ein Virus-Digimon, welches immer schwach gegen Serum ist, auch eine Schwäche gegen Feuer und Wind haben. Je mehr Effekte unsere Angriffe haben, in Kombination mit unserem Typ, verursachen die Angriffe unterschiedlich hohen Schaden. Dazu kommen Extra-Angriffe, die manchmal ausgelöst werden und einen doppelten Treffer landen. Außerdem können bestimmte Digimon kurzzeitig miteinander fusionieren, um anzugreifen.

Wir sind als Agent nicht nur ein Beobachter der Kämpfe, sondern können auch aktiv eingreifen. Wir können theoretisch vor jedem Angriff ein Item benutzen, ohne dass es uns den Zug kostet. Gleiches gilt für die Auswechslung eines Digimon aus der Reservebank. Und dann wären da noch die Kreuzungsfähigkeiten, von denen wir im Laufe des Spiels mehrere erlernen. Haben unsere Digimon oft genug angegriffen, können wir eine dieser Fähigkeiten nutzen. Wir müssen sie allerdings vorher im Menü auswählen und können sie nicht während des Kampfes wechseln. Wir müssen uns also gut überlegen, ob wir lieber einen großen Buff für unsere Party oder lieber doch einen großen Flächenangriff mit hohem Schaden haben möchten.

Durch die Tatsache, dass wir jederzeit Items einsetzen können und auch insgesamt sechs Digimon zur Verfügung haben, die wir beliebig wechseln können, könnte man den Anschein bekommen, dass die Kämpfe in Digimon Story: Time Stranger etwas einfach sind. Und das stimmt größtenteils auch, die Kämpfe gegen einfache Digimon sind nun wahrlich keine große Herausforderung. Aber die Schlachten gegen die großen Bosskämpfe haben es in sich. Hier müssen wir mit einer guten Taktik agieren, um siegreich hervorzugehen.

Als Agent nehmen wir aktiv am Kampfgeschehen teil. | Bild: 2025 © Bandai Namco

Ein spielbarer Anime in 30 FPS

Im Großen und Ganzen muss sich Digimon Story: Time Stranger optisch nicht verstecken. Es sticht durch einen Cell Shading-Stil und Anime-Optik heraus, welches sehr oft das Gefühl weckt, wieder als Kind vor dem TV zu sitzen. Und während PC-Zocker*innen in den Genuss von 60 FPS kommen, müssen sich alle Konsolenspieler*innen mit 30 FPS begnügen. Das ist zwar nichts wildes, doch es stellt sich die Frage, wieso es bei einem grafisch nicht besonders anspruchsvollen Spiel in 2025 nicht anders geht.

Und auch in der Sparte der Akustik muss ich ein wenig meckern. Denn hier ist eine Sache vorhanden, die mir immer wieder übel aufstößt: Ein stummer Protagonist. Naja, nicht wirklich stumm, aber lasst mich erklären. Die Vertonung in Digimon Story: Time Stranger ist eigentlich ziemlich okay. Es gibt nur englische und japanische Sprachausgabe, aber das ist voll okay. Die Sprecher*innen machen alle einen guten Job und sogar alle Digimon haben unterschiedliche Sprecher*innen und rufen ihre Attacken, genau wie in der TV-Serie. Und ja, auch unser Protagonist hat eine Stimme. Wir können ja zu Beginn aus einem männlichen und einer weiblichen Protagonistin wählen. Die jeweils andere Option begleitet uns dann für den Rest des Spiels als Operator und ist auch komplett vertont. Und auch unsere eigene Figur sagt ein, zwei Sätze. Zum Beispiel, wenn unsere Digimon bei einer Pause geheilt werden oder im Kampf ein Kreuzungsangriff ausgelöst wird. Doch in jedem anderen Dialog ist unser Protagonist stumm. Er gestikuliert zwar und bewegt seine Lippen und es ist ganz klar, dass er den anderen Charakteren gerade etwas erzählt, doch zu hören ist nichts. Warum können die Dialoge, die wir als Antworten auswählen, nicht vertont werden? In meinen Augen bzw. Ohren eine etwas nervige Angelegenheit, die mich etwas aus den Geschehnissen herauszieht.

Titelbild: 2025 © Bandai Namco