Tencent. Vielleicht mal gehört. Irgendwas aus China, glaube ich und im Gaming sind die wohl ich auch drin. So dürfte ein sehr herkömmlicher Gedankengang in der westlichen Welt aussehen, wenn man den Namen Tencent hört. Was aber viele nicht wissen, ist die gigantische Größe, die dieses Unternehmen hat. Während Microsoft beispielsweise um den Kauf von Activision Blizzard ringt und sich alle Welt darum streitet, wer das größte Gaming-Unternehmen ist, lacht sich Tencent klammheimlich eins ins Fäustchen. Ich führe euch ein bisschen durch die Historie und zeige auf, warum wir mehr über die chinesische Company sprechen sollten.
Kometenaufstieg
Während die Gründung der westlichen Tech-Giganten schon in den 70ern begann, ist Tencent verglichen noch relativ jung, so jung wie in etwa Google. 1998 gründeten Ma Huateng und Zhang Zhidong den heutigen Internet-Giganten. Im Zuge des schnellen, wirtschaftlichen Wachstums der chinesischen Volksrepublik, etablierte sich auch das erste Produkt rasend schnell: der Messengerdienst OICQ. Dieser wurde aufgrund des ähnlichen Namens zu ICQ nach kurzer Zeit umbenannt und hieß fortan QQ. Der Instant-Messenger war aber auch ähnlich erfolgreich wie ICQ, nur eben in Ost-Asien. Heute ist QQ übrigens auf Platz 4 der meistbesuchten Internetseiten der Welt.
Begünstigt wurde die Bekanntheit auch dadurch, dass sich China den westlichen Produkten gegenüber sehr verschlossen verhielt und bis heute eine Vielzahl der Silicon-Valley-Plattformen verbietet. Anders als ICQ, war Tencent aber näher am Zahn der Zeit. Bereits früh gab es eine Mobile App und platzierte sich somit rechtzeitig sehr gut am Markt der mobilen Endgeräte. Dazu baute sich das Unternehmen ein richtiges Netzwerk auf und wuchs. QQ Show, der QQ Player, Qzone oder QQLive. Im Medienbereich sollte es sich Tencent überall breit machen. QQ(Punkt)com ist derweil eine Website für alles. Nachrichten, Email, Sprachchat, Videochat, Social Network, eine Musikplattform und auch eine Spieleplattform gehören schnell zum Portfolio. Mit Erfolg.
Es wird die meistbesuchte Internetseite der Volksrepublik. Auch über die Landesgrenzen hinaus wächst QQ auf dem asiatischen Markt. Mit WeChat etablierte man zudem eine weitere Chat-Plattform. Nur integrierte diese zunehmend auch E-Commerce und Bezahldienstfunktionen. Alibaba ist natürlich das chinesische Amazon, aber WeChat vereint zahlreiche Shops, Werbung und Menschen miteinander und etabliert sich als gigantische Plattform auf dem asiatischen Markt mit ca. 1 Milliarde aktiver Nutzer.
Schweigsame Beziehung
Ein Bilderbuchaufstieg. Aber wie ist das möglich? Wie erwähnt, begünstigte die Sperrung westlicher Seiten das Wachstum enorm, ebenso wie das generelle wirtschaftliche Wachstum Chinas. Damit einher ging auch der Wohlstand nach oben, ebenso wie die Digitalisierung, wo sich Tencent nun mal clever platzierte. Doch dazu erwähnen, muss man eine potenzielle Nähe zur Regierung. Der Internet-Gigant schweigt sich bereits seit Jahren darüber aus, inwiefern Daten möglicherweise an die Regierung weitergeleitet werden. Denn die wären für die Führung höchst interessant und Tencent hat eine ganze Menge davon. Nur Baidu, die größte Suchmaschine Chinas, als auch Alibaba können an Datenmengen mithalten. Daten zu Familienverbindungen, Zahlungsläufen, Nutzungsverhalten, Interessen und Gesinnungen besitzt Tencent zuhauf.
Immer wieder liegt die Vermutung nahe, die chinesischen Riesen-Unternehmen arbeiten mit der Regierung zusammen. Mit QQ und seinem Nachrichtenportal findet die Berichterstattung der Volksrepublik natürlich auch ein angenehmes Zuhause. Das dürfte auch erklären, warum sich der Alleskönner so schnell und nahezu ohne Konkurrenz verbreiten konnte. Man verfügt schließlich die Macht, den Fluss von Nachrichten und Inhalten zu kontrollieren und zu filtern. Eine gefährliche Position. Kritik ist ja auch nicht gerade willkommen. Kritische Blogger wurden 2019 verklagt, dafür dass Sie nicht dem inhaltlichen Konsens der Plattform übereinstimmten. Ein Exempel. Die kritische Presse wird gekonnt klein gehalten und es traut sich auch niemand sich dem entgegen zu setzen. Denn Kritik wird nicht einfach gesperrt. Der Vorfall zeigt, dass ein direkter Konflikt mit dem Gesetz entsteht.
Mehr als nur Vorwürfe?
Die Vorwürfe zur Regierungsnähe sind nicht komplett aus der Luft gegriffen. Anlässlich des 19. Nationalkongresses der Kommunistischen Partei Chinas veröffentlichte Tencent beispielsweise ein Handyspiel mit dem Titel „Clap for Xi Jinping: An Awesome Speech“. Dort musste man innerhalb von 19 Sekunden so viele Klatscher wie möglich für den Parteivorsitzenden erzeugen. Auch darüber hinaus gibt es Berichte, dass Tencent mit der PR-Abteilung der Kommunistischen Partei kooperiere, um „patriotische Spiele“ zu entwickeln.
Bei der CIA sei man ohnehin zu dem Schluss gekommen, dass Tencent bereits in der Startphase Gelder vom Ministerium für Staatssicherheit erhalten habe, um die Firewall und die Überwachungstechnologie aufzubauen. Tencent wies diese Behauptung zurück. 2021 wurde außerdem berichtet, dass Tencent und die Ant Group mit der People’s Bank of China zusammenarbeite, um eine digitale Währung zu entwickeln. Transparenz sieht irgendwie anders aus. Wie tief die Kooperation geht, ist nicht definierbar. Aber fest steht, dass beide sehr voneinander profitieren würden, sollte es hier enge Verstrickungen geben.
Tencent Gaming wächst
Aber was hat das jetzt mit Gaming zu tun? Bei Tencent gilt die Devise, nicht einfach der Primus im Bereich Social Media zu sein, sondern die treibende Kraft im Bereich Internet. Dazu gehört nicht nur Iflix, das asiatische Netflix, welches 2020 von Tencent aufgekauft wurde, sondern auch Gaming. Kleine Social Media Spielchen waren schon früh Teil des Plans. Aber erst Richtung 2008 schlug das Thema weite Kreise. Crossfire, das asiatische CounterStrike, wurde übernommen, als auch Dungeon Fighter Online. Zudem investierte man in Anteile von Riot Games, die zu dem Zeitpunkt niemand kannte. Doch bereits ein Jahr später veröffentlichte genau jenes Studio das allseits bekannte League of Legends.
Da hatte Tencent wohl einen guten Riecher, was sich in der Historie noch öfter zeigen soll. Kein Zufall, wie Eddie Chan von der Tencent Gaming-Sparte verrät. Man sei ständig auf der Suche nach Trends und „the next big thing“ und investiere entsprechend. 2011 konnte man bereits Mehrheitsanteile an Riot Games sichern. Durch den Erfolg getrieben, sicherte man sich noch Anteile an Epic Games. Die kannte man bis dato vor allem durch Gears of War. Einige Jahre später sollten die mit Fortnite aber die ganze Branche auf den Kopf stellen. 2013 kaufte man sich zudem klammheimlich noch bei Activision ein. Die hatten sich bei Vivendi raus gekauft und waren „frei“. Knapp 5% besitzt das Unternehmen am Konzern hinter Call of Duty.
Grund: Geld
Kurzer Break. Wieso waren diese Unternehmen überhaupt offen dafür, dass Tencent sich hier einkauft. Riot Games war jung und brauchte das Geld. Oder so ähnlich. Geld ist gerade in der Anfangszeit noch knapp, wenn keine nennenswerten Umsätze erzielt wurden. Wenn ein Unternehmen von der Arbeit überzeugt ist und bereit ist zu investieren, stellt man sich hier auch nicht quer, wenn das Geld aus China kommt. Activision war aus den genannten Gründen ebenfalls froh über Geld. Der Freikauf von Vivendi war nicht günstig und es brauchte frisches Kapital für die kommenden Pläne. Auch Epic war im Umbruch zu der Zeit. Studio-Gründer Bleszinski verließ das Studio 2012 und man stand vor einer Kehrtwende.
Die Zusammenarbeit mit Microsoft in Bezug auf Gears of War endete und Tencent nutzt den Umbruch für sich. Man holte sich ca. 40% der Anteile und war somit nun auch im Board of Directors vertreten. Dass bei der bisherigen Ausrichtung nach großen Multiplayer-Hits bei Epic plötzlich Fortnite bei rum kam, ist also kaum Zufall. Dennoch behauptet Tencent, dass man eigentlich nur investiere und sich aus dem operativen Geschäft größtenteils raus halte. Das mag im ein oder anderen Fall stimmen, im Falle von Epic Games aber kaum denkbar, weil Fortnite aus alle Poren die Tencent-DNA versprüht. Tencent wuchs nebenbei im Bereich der Messenger-Dienste und übernahm den Alibaba-Konkurrenten JD, um sich im E-Commerce breit zu machen. Geld floss also mehr denn je.
Tencent breitet die Fühler aus
Aber auch in die Videospielindustrie wurde weiter investiert. In CJ Games, einem koreanischen Studio, welches insbesondere auf dem Mobile-Markt aktiv war, fand Tencent einen weiteren Ort, an dem man Anteile einholen konnte. Doch in den Jahren darauf galten die Investitionen wieder anderen Märkten. Darunter viel in Banking, E-Commerce, Social Media und in die Musikindustrie. Wusstet ihr, dass Tencent Anteile an Spotify, Snapchat und Tesla hält? Sogar an Discord hält man ca. 38% der Anteile. Ab 2016 wurde allerdings auch wieder im Gaming-Bereich gewildert. Paradox Interactive (Stellaris & Crusader Kings), Supercell (Clash of Clans), Frontier Developments (Elite: Dangerous, Planet Coaster & Jurassic World: Evolution) und sogar Ubisoft sind nun Unternehmen, in die Tencent investiert hat.
Digital Extreme, das Studio hinter Warframe, hat ebenfalls irgendwo das Tencent-Logo inne. Mal mit mehr, mal mit weniger Prozent. Krafton (zu denen PUBG gehört) und Funcom reihten sich dazu ein und sogar Platinum Games (Bayonetta 3 & Nier: Automata) sind weitere Namen, die hinzu kamen. Insbesondere ab 2020 stieg die Beteiligung von Tencent bei vielen Gaming-Unternehmen stark an. Gerade die wirtschaftlich schwankende Situation begünstigte die Umstände für die Chinesen auf dem westlichen Markt. Yager ( Spec Ops: The Line), Roblox, Bohemia Interactive (ARMA), Remedy Entertainment (Control/ Alan Wake), Blooper Team (Layers of Fear), Playtonic oder die Turtle Rock Studios (Back 4 Blood).
Durchatmen. Ihr seht, Tencent hat seine Fühler weiter gestreckt, als man es vielleicht zunächst für möglich hielt. 2022 hat Tencent ebenfalls richtig groß investiert, unter anderem in From Software, die wir durch Spiele wie Elden Ring oder die Dark-Souls-Reihe kennen. Zudem sicherte man sich 49,9% der Anteile und 5% der Stimmrechte an Guillemot Brothers Limited, der Mutter von Ubisoft. Das sind nur die großen Namen. Nicht minder wichtig, sind die ganzen Studios, die auf dem Mobile-Markt etabliert sind und die Kassen füllen.
Ein Auge für Trends
Nur wenige dieser Studios oder der weiteren, die ich nicht aufgeführt habe, besitzt Tencent auch zu 100% komplett selbst. Aber warum? Tencent bedient viele Sparten, Gaming ist nur eine davon. Man möchte in intakte und externe Teams investieren, die funktionieren und qualitativ bereits mehrfach gewisse Standards einhalten. Das Know-How besitzt man nicht selbst, will man in der Form auch gar nicht. Tencent will nicht vorschreiben, wie genau eine Entwicklung ablaufen soll. Sie wollen sehr wohl aber Erfolg. Ein Schlüssel dazu ist das Auge für Trends. Das haben sie bereits bewiesen, indem man noch vor den Releases von League of Legends, Fortnite oder V-Rising in die entsprechenden Teams investierte.
Im Falle von Battle Royal waren Warzone, Fortnite und PUBG die großen Titel. Ein Unternehmen, welches an den Studios hinter allen Dreien steckt und daran verdient hat: Tencent. Was bei den westlichen Studios gut ankommt, ist diese Hands-Off-Metalität, sich im Entwicklungsprozess möglichst raus zu halten. Wie dies in der Praxis aussieht: Ungewiss. Allzu großen Gegenwind gibt es öffentlich nicht, daher scheint der Einfluss tatsächlich geringer als man vielleicht befürchten würde oder es woanders mitbekommt. Das ist aber auch immer eine Frage der gewonnenen Anteile. Bei Minderheiten ist der Einfluss nicht wirklich vorhanden, anders bei Mehrheitsbeteiligungen oder kompletten Übernahmen. Mit einem Gesamtumsatz von über 86 Milliarden US-Dollar. Laut Statista liegt allein der Umsatz durch Gaming bei ca. 32 Milliarden US-Dollar.
Sony? Nintendo? Microsoft?
Um das alles einzuordnen: Die Liste an Beteiligungen ist, wie ihr seht, ellenlang. Der Internet-Gigant ist quer über die gesamte Industrie mit Beteiligungen involviert, ist zudem auf Platz 5 der Gaming-Publisher für iOS. An allen großen Battle-Royal-Titeln verdiente man mit. „Aber Nintendo hat doch Mario, Pokémon, Zelda und die erfolgreiche Nintendo Switch“. Richtig, aber selbst damit macht man nur die Hälfte an Umsatz, was Tencent im Gaming macht. Einen nahezu identischen Gaming-Umsatz wie Nintendo erzielt Microsoft. Trotz Xbox, Game Pass, Halo, und Co. Sony, so könnte man denken, ist DIE Großmacht im Videospieluniversum. Bis auf die PS3 und die PS5 verkaufte man jede Heimkonsole im dreistelligen Millionenbereich.
Mit Playstation Plus kommt stets eine enorme Summe Geld rein. Mit Marken wie The Last of Us, Uncharted, God of War, Horizon oder Spider-Man hat man enorme Hits im Portfolio. Aber: Mit 25 Milliarden Umsatz im Gaming-Sektor liegt man dennoch hinter Tencent. Aber wenn das so ist, wieso redet dann niemand darüber? Wieso hat niemand die Großmacht Tencent auf dem Schirm? Wieso sprechen alle nur von Sony, Nintendo und Microsoft, evtl. noch Take Two, die mit Rockstar Games die Marke GTA besitzen?
Geheimoperation: Marktführer
Die Konsolenhersteller sind natürlich bekannt, weil diese um jeden Preis um Bekanntheit ringen. Die Vermarktung der Konsole und der vielen eigens produzierten Spiele, hängt fest mit dem Unternehmen zusammen. Im Falle von Nintendo ist das Gaming sogar das Kerngeschäft. Im Falle von Sony zumindest eine der größten Säulen. Einzig Microsoft würde auch ohne die Gaming-Sparte sowohl Tencent, als auch Sony und Nintendo überschatten. Sogar zusammengerechnet. Die Redmonder haben die wohl größte finanzielle Kraft und preschen mehr und mehr aggressiv hervor, was uns in der westlichen Welt natürlich nicht vorenthalten bleibt.
Aber Nachrichten aus China? Bekommen wir nur in Maßen, insbesondere wenn es um die Gaming-Bereich geht. Tencent hat zudem keine eigene Konsole, kein eigenes Smartphone, kein großes Gaming-Abo-Modell. Selbst große Gaming-Marken sind quantitativ gesehen überschaubar und werden eher mit den Entwicklerstudios assoziiert. Dadurch, dass Tencent sich immer vereinzelt Anteile sichert, fiel es unter dem Radar. Einzig durch große Namen wie Riot Games oder Epic Games wurde zunehmend berichtet. Aber die Zeiten, in denen Tencent scheinbar unbemerkt operiert, sind vorbei.
Zu groß sind mittlerweile die Verstrickungen und zu groß sind die Ambitionen. Immer wieder werden die Anteilskäufe in Nachrichten thematisiert. Gerade im Zuge der Activision-Übernahme gewann die Diskussion an Bedeutung, wer eigentlich die Großmächte im Gaming sind. Es ist nicht Microsoft, selbst nach der Übernahme. Auch ist es nicht Nintendo und ebenfalls nicht der vermeintliche Primus Sony. Es ist und bleibt (wahrscheinlich): Tencent.
- Deutsche Verpackung. Deutsche Anleitung. 100% uncut AT-PEGI Version
*Werbung: Die Amazon-Links sind sogenannte Affiliate-Links. Wenn du auf so einen Affiliate-Link klickst und über diesen Link einkaufst, bekommt die Redaktion von dem betreffenden Online-Shop oder Anbieter eine Provision. Für dich verändert sich der Preis nicht.
Quellen:
Spiegel, Wikipedia, Medium, China-Britain Business Focus, Financial Times, Wall Street Journal, Bloomberg, Reuters, Foreign Policy, VOANews