Nach fast 40 Jahren seit Release des ersten Films kommt bald der nächste Teil des Ghostbusters-Franchise in die Kinos. Und im Gegensatz zu dem 2016 getätigten Versuch, das Geisterfieber wieder aufleben zu lassen, gelingt es dieser Neuauflage tatsächlich, an die Nostalgie und die Qualität des 1984er Originals anzuknüpfen. Lennart hat bereits eine Kritik zu Ghostbusters: Legacy geschrieben. In diesem Beitrag möchte ich gern detaillierter über den ein oder anderen Aspekt des Films sprechen, also wenn ihr noch nicht im Kino wart und Spoiler-frei bleiben wollt, dann hört hier besser auf zu lesen.
Who runs the world? Girls!
In unserem Ghostbusters-Special vor der Filmveröffentlichung hatte ich ja bereits über das Feminismus-Problem des Franchise gesprochen und da möchte ich auch gern direkt anknüpfen. Denn anscheinend haben die Produzierenden tatsächlich aus den Fehlern gelernt, die 2016 mit der All-Female Neuauflage gemacht worden sind. Das größte Problem dieses Films war, dass die männlich geschriebenen Rollen einfach mit weiblichen Schauspielerinnen besetzt wurden, ohne großartiges Umschreiben der Charaktere.
Das funktionierte absolut nicht und ließ die Protagonistinnen stumpf und nervig wirken und es fiel schwer, eine Verbindung zu ihnen herzustellen und mit ihnen mitzufühlen. In Legacy wird die ganze Sache von vornherein komplett anders angegangen und statt nur „umzubesetzen“, werden Charaktere von Grund auf als weiblich geschrieben: Callie als alleinerziehende Mutter und Phoebe als junges Mädchen, das sich so gar nicht für typisch feminine Dinge, sondern eher für Wissenschaft interessiert, wirken realistisch und spannend und man fühlt mit ihnen mit, weil man sie nachvollziehen kann.
Generell sind sämtliche Charaktere in Ghostbusters: Legacy unheimlich dreidimensional und nachvollziehbar geschrieben. Man versteht Callie und ihre Abneigung ihrem eigenen Vater über. Man kann Trevor als den typischen Teenager verstehen, auch wenn man bei vielem, was er tut, eher den Kopf schüttelt. Phoebes und Podcasts Abenteuerlust ist ansteckend und ihr Lehrer, Mr. Grooberson, ist lustig, ohne zur Witzfigur zu werden. Die Menschen auf der Leinwand liegen einem am Herzen und genau das macht Legacy so gut.
Zwischenmenschliche Meisterleistungen
Hand in Hand mit guten Charakteren gehen auch die Beziehungen zwischen ihnen, die nicht minder großartig geschrieben sind. Ganz besonders positiv aufgefallen ist mir hier die Beziehung zwischen den beiden Geschwistern. Trevor ist ein typischer Teenager und möchte gern zu den „coolen Kids“ gehören und zu Beginn ist seine einzige Motivation für alles, was er tut, die Aufmerksamkeit eines Mädchens zu bekommen, auf das er steht. Währenddessen könnte Phoebe nicht gegensätzlicher sein: sie ist für ihr Alter überdurchschnittlich clever, kennt sich in vielen obskuren Themen unheimlich gut aus, ist eher der „socially awkward“ Typ und sie schert sich eher weniger um andere Menschen.
Aus der ein oder anderen Stelle kann man auch, wenn man es denn so interpretieren möchte, herauslesen, dass sie eine Form von Autismus haben könnte (wie zum Beispiel, wenn sie sagt, dass Reizüberflutung sie beruhigt). In jedem anderen Film wäre das das perfekte Rezept für eine konfliktgeladene Geschwisterbeziehung. Nicht hier jedoch; im Gegenteil: Trevor stellt sicher, dass er sich seiner kleinen Schwester und ihren Bedürfnissen anpasst, unterrichtet sie in sozialen Fähigkeiten, bringt ihr Witze bei, um das Eis zu brechen, und unterstützt sie in allem, was sie tut, um es ihr leichter zu machen. Das kam für mich sehr überraschend und hat mich als große Schwester zugegebenermaßen auch echt berührt.
Auch die sich langsam entwickelnde Beziehung zwischen Mr. Grooberson und Callie wirkt auch nicht überflüssig oder fehl am Platze, wie es doch so oft der Fall mit romantischen Sub-Plots ist. Die beiden gehen miteinander aus, sind etwas nervös umeinander, stellenweise fragt man sich, ob man nicht doch gerade zwei unerfahrenen Teenagern beim Flirtversuch zuschaut, aber es ist süß und man kauft es den beiden absolut ab. Keine Fremdscham und kein Augenrollen und das ist so viel mehr, als ich mir erhofft hatte.
We Are Family
Schließlich möchte ich gern noch über das Familien-Thema des Films reden, denn das ist das, was mir einfach am prominentesten auffiel: Dass es sich bei Ghostbusters: Legacy um einen Familienfilm auf jeder Ebene handelt. Natürlich on-screen, aber auch hinter der Kamera – Regie führte Jason Reitman, produziert wurde der Film von Ivan Reitman, der der Regisseur des 1984er Originals ist. Dieses Vater-Sohn-Gespann schlägt sich auch auf jeden Fall in dem Ton des Films wieder.
Es ist nicht nur eine Familie, die die Protagonist*innen stellt, sondern es geht grundlegend darum, was Familie heißt und dass diese Verbindung etwas unheimlich Einzigartiges sein kann, wenn auch voller Komplikationen und Konflikte. Die Liebe, die die Reitmans in dieses Projekt gesteckt haben, ist in jeder Minute deutlich und ganz besonders zum Schluss musste ich mir echt, dass ein oder andere Tränchen verdrücken, weil das Ende so schön war. Und dieser Gesamtton, dieses behagliche Gefühl macht den Film rundum zu einem echten Familienfilm. Denn ob groß oder klein, ob Fan des Originals oder First-Time-Geisterjäger*in, dieser Film wird gefallen.

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Titelbild: © 2021 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH
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Ghostbusters - Kinokassen erliegen dem Geistercomeback - NAT-Games